
Praxistreff "Bewegung und Depression"
Autor: Paul Nilges
Die Initiative Bündnisse gegen Depression in der Landeszentrale für Gesundheitsförderung e. V. (LZG) hatte am 16.9.19 zur Veranstaltung „Bewegung und Depression” im INNdependence in Mainz eingeladen. Teilnehmerinnen waren etwa 25 Bewegungsbegleiterinnen, Sportwissenschaftler, Psychotherapeuten und Übungsleiterinnen.
Zur Einführung hielt Antje Hammes, Sporttherapeutin, -wissenschaftlerin und Triathletin, einen Übersichtsvortrag. Eindrucksvoll stellte sie die wissenschaftlich belegten Wirkungen von Muskelaktivität auf die Produktion körpereigener Substanzen dar. Etwa 400 davon sind inzwischen bekannt, die direkt oder indirekt aktiviert werden, wenn wir aktiv sind. Am bekanntesten sind Serotonin und Dopamin. Zunehmend rückt auch unser Mikrobiom, also die Darmflora, und die Bedeutung für die Aktivierung der komplexen körpereigenen „Medikamente” in den Fokus der Forschung. Die Wirksamkeit unserer eigenen „Hausapotheke” ist mit der Wirkung bekannter Medikamente durchaus vergleichbar. Verstanden werden allerdings erst in Ansätzen die vielfältigen Wechselwirkungen. Von biochemischen Prozessen auf Zellebene bis hin zur Produktion von Botenstoffen mit positiver Wirkung auf emotionale und körperliche Stabilität sind inzwischen viele Prozesse entschlüsselt.
Nachdem die solide wissenschaftliche Basis, auf der Bewegungsangebote fußen, gelegt wurde, sind in Kleingruppen praktische Aspekte der Umsetzung von Bewegungsprogrammen für Menschen mit Depression diskutiert und zusammengetragen worden. Ansprechpartner für diese Aufgabe ist zunächst die Initiative Bündnisse gegen Depression, bei der verschiedene Aktivitäten koordiniert und Kontakte vermittelt werden. Auch Fachkliniken, Psychotherapeuten vor Ort und Patienten-Selbsthilfegruppen sind wichtige Multiplikatoren.
Die organisatorisch vermutlich günstigste Lösung mit der größten zu erwartenden Breitenwirkung ist die direkte Anbindung an Sportvereine, wie dies in Mainz durch die TGM- Gonsenheim geschieht. Als niedrigschwelliges Angebot kommt diese Möglichkeit allerdings eher für Vereine in Städten in Frage. Vereine in ländlichen Regionen, in denen jeder jeden kennt, haben hier Nachteile, da die Anonymität der Teilnehmenden nicht gesichert ist.
Konsens bestand, dass es kein „ideales Angebot” gibt. Orientieren müssen sich die Organisatorinnen an den Bedürfnissen der Zielgruppe und an den eigenen Möglichkeiten. Die Bewegungs-Begleiterinnen der Bewegungskampagne „Ich bewege mich, mir geht es gut” in der LZG arbeiten in sehr unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern. Ein Schwerpunkt sind Seniorinnen und Senioren in stationären Einrichtungen. Laufgruppen kommen für diese Zielgruppe eher nicht in Frage. Allerdings ist auch hier ein Einstieg über Walking-Gruppen oder einfach gemeinsames Wandern möglich. Wichtig ist es, einen „geschützten Raum” zu gestalten, d. h. Vertrauen und Empathie zu vermitteln, den Teilnehmenden auch die Freiheit zu lassen, ob, wie und worüber sie miteinander sprechen wollen. In diesen Gruppen entwickeln sich persönliche Beziehungen und Freundschaften, die zusätzlich stabilisierend wirken.
„Organisierte” Bewegung ist eine Ergänzung, Begleitung und/oder Nachsorge bei der Betreuung und Behandlung von Menschen mit Depressionen und kein Ersatz für eine professionelle Therapie.